Populistische Kommentare in Räten und Ausschüssen
In Stadt- oder Gemeinderäten wie auch in Ausschusssitzungen gibt es immer wieder populistische Äußerungen. So können Sie reagieren.
Wenn provokante Kommentare geäußert werden, sollten Sie sich zunächst versichern, um was für eine Art von Äußerung es sich handelt. Ist es eine zugespitzte Formulierung in einer Sachdiskussion? Ist es ein sachfremdes Argument, das darauf zielt, eine Person zu kränken? Soll der Kommentar lediglich provozieren? Hat die Äußerung einen extremistischen, beleidigenden oder strafrechtlich relevanten Inhalt? Von dieser differenzierten Betrachtung sollten Sie Ihr weiteres Verhalten abhängig machen. Wenn Sie sich grundsätzlich orientieren möchten, finden Sie hier eine Definition von Populismus.
Tabubrüche und Skandalisierungen sind Teil der Strategie populistischer Kräfte. Häufig verfolgen sie gar nicht das Ziel, konstruktiv an der Lösung gesellschaftlicher Probleme mitzuwirken, sondern möchten Probleme beschwören und verschärfen, um daraus politisch und ideologisch Kapital zu schlagen. Mit Empörung zu reagieren und populistische Kommentare ausschließlich zu skandalisieren, bedeutet oft, der populistischen Strategie auf den Leim zu gehen. Die Provokateurinnen und Provokateure können sich dann medienwirksam als Opfer „politischer Korrektheit“ inszenieren und aus der Aufregung politischen Profit schlagen. Indem Sie auf Kommentare, die lediglich der Provokation dienen, gar nicht reagieren, vermeiden Sie dies. Außerdem können Sie auf diese Weise gegebenenfalls erreichen, dass provokante populistische Kommentare abnehmen, wenn diese sich „nicht lohnen“.
Dreht sich die Auseinandersetzung um eine Sachfrage und halten Sie deren Beantwortung für sinnvoll, ist es effektiv, die eigene Position stark zu machen. Dazu ist es einerseits notwendig, die eigene Haltung zum jeweiligen Thema genau zu kennen und überzeugend darzustellen. Andererseits müssen Sie dazu auch mit den Argumenten der Gegenseite vertraut sein. Es sollte verständlich kommuniziert werden, warum populistische Forderungen meist keine echten Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme darstellen, sondern vielmehr zu neuen Problemen führen. Je besser Sie die Forderungen und Argumente der populistischen Kräfte kennen, desto besser können Sie Schwächen und Lücken darin aufzeigen. Es ist ratsam, sich entsprechende Argumentationslinien schon vorab zu überlegen.
Nicht bei allen Kommentaren ist eine inhaltliche Auseinandersetzung sinnvoll. Die Anerkennung der Menschenrechte beispielsweise ist im Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschrieben und nicht verhandelbar. Ein Beispiel: Es kann keine Diskussion darüber geführt werden, ob Geflüchtete menschenwürdig untergebracht werden sollen oder nicht, sondern lediglich darüber, wie eine menschenwürdige Unterbringung gestaltet werden kann.
Verständigen Sie sich – beispielsweise im Ältestenrat – gemeinsam mit möglichst vielen demokratischen Parteien über den Umgang mit populistischen Kommentaren. Klären Sie Fragen wie: Wer reagiert darauf? In welchen Fällen soll überhaupt reagiert werden? In welchen Fällen sind rechtliche Konsequenzen zu ziehen? Der Konsens sollte sowohl inhaltlich entschieden als auch formal korrekt sein; dann kann Zurückweisung glaubhaft und wirkungsvoll funktionieren. Sie können einen solchen Konsens im Rat der Stadt als Resolution beschließen. Die Resolution des Deutschen Städtetages für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde kann dabei als Beispiel dienen.
Sollten populistische Kommentare den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung stören oder inhaltlich untragbar sein, können Sie im Rahmen der Geschäftsordnung Maßnahmen ergreifen. Der erste Schritt ist für gewöhnlich der Ordnungsruf. Bei mehrmaligem Verstoß gegen die Ordnung kann einem Rats- oder Ausschussmitglied das Wort entzogen werden. In einem letzten Schritt kann ein Mitglied auch von der Sitzung ausgeschlossen werden. Überprüfen Sie gegebenenfalls vorbeugend, ob die Geschäftsordnung des Rates beziehungsweise der Ausschüsse für diese Fälle ausreichende Maßnahmen bereithält. Enthält die Geschäftsordnung die Prinzipien der Debattenkultur? Sind in ihr Sanktionsmöglichkeiten festgelegt? Redezeitbegrenzungen, Ordnungsrufe, das Entziehen des Wortes, Ordnungsgelder und der Ausschluss von Sitzungen sind beispielhafte Sanktionsmaßnahmen, die dort geregelt werden können. Darüber hinaus können Best-Practice-Lösungen aus Landtagen und dem Bundestag hierbei eine Orientierung bieten.
Staatliche Stellen und kommunale Verwaltungen dürfen sich nicht pauschal gegen eine Partei oder Gruppierung positionieren. Kommunale Ämter sind vielmehr zu einer differenzierten und sachlichen Auseinandersetzung verpflichtet. Eine gerade für staatliche und kommunale Einrichtungen notwendige parteipolitische Neutralität darf aber nicht mit „Wertneutralität“ verwechselt werden. Für Demokratie und Menschenrechte dürfen und müssen Sie eintreten.
Nicht selten sollen Anfragen von Ausschuss- oder Ratsmitgliedern die Verwaltung schlicht blockieren und zielen auf eine Überlastung der mit der Beantwortung betrauten Stellen. Das Ziel besteht mitunter darin, Zahlen und Auskünfte zu erhalten, die vermeintlich gut in das Narrativ populistischer Kräfte passen. Sollten Ratsmitglieder in Sitzungen also populistische Kommentare äußern, in denen Informationen der Verwaltung verzerrt dargestellt werden, ist es wichtig, diese nicht so stehen zu lassen, sondern sie zu korrigieren und einzuordnen.
Sie sollten sich darauf gefasst machen, gegenüber Bürgerinnen und Bürgern den Umgang mit populistischen Kommentaren (und Personen oder Parteien) zu erklären. Dabei müssen Sie auch mit ablehnender Haltung rechnen. Es ist sinnvoll, sich hierfür eine Argumentation zurechtzulegen, die auf die eigenen Werte (siehe oben) verweist.
Oft stehen hinter einzelnen populistischen Äußerungen auch Strukturen regional aktiver Vereine oder Parteien. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung der umliegenden Kommunen, der Bezirks- oder Landesebene auszutauschen, gemeinsam zu reflektieren und voneinander zu lernen.
Amadeu Antonio Stiftung
Bundesverband Mobile Beratung e. V.