Schutz bei öffentlichen Veranstaltungen
Sie planen eine öffentliche Veranstaltung. So können Sie Störungen vorbeugen oder darauf reagieren.
Der erste Punkt, mit dem Sie sich im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung auseinandersetzen müssen, ist die Frage, wer als Leiter/in der Veranstaltung auftritt und wer die Veranstaltung damit anmeldet. Städte, Bezirke oder Gemeinden treten oft selbst als Veranstalter auf, da es so organisatorisch kurze Wege gibt, die Organisation nicht ehrenamtlich erfolgen muss und somit eine klare Positionierung der Kommune für ein Thema erfolgen kann. Hier gibt es jedoch ein Problem: Der staatliche Neutralitätsgrundsatz erschwert jegliche Form der Zugangsbeschränkung für bestimmte Personen oder Personengruppen zu einer Veranstaltung erheblich. Diese Zugangsbeschränkung ist aber wichtig, wenn Sie mit Störungen aus dem Publikum im Vorfeld oder während der Veranstaltung zu tun haben. Ausgeschlossen werden können diese Personen dann nur bei erheblichen Ordnungsverstößen. Die einfache Befürchtung, dass es durch die Anwesenheit eines bestimmten Personenkreises zu Konflikten mit anderen Veranstaltungsteilnehmenden kommt, reicht nicht, um diesem Personenkreis den Zugang zu untersagen. Um als Stadt, Bezirk oder Gemeinde eine öffentliche Veranstaltung stattfinden lassen zu können, für die doch eine Zugangsbeschränkung gilt, müsste dazu ein Beschluss des Stadtrats oder eines entsprechenden Gremiums vorliegen. Die einfachste Möglichkeit für die Organisation einer Veranstaltung, bei der der Zutritt beschränkt werden soll, ist dann gegeben, wenn gemeinnützige Vereine oder Bürger/innen als Veranstaltende auftreten. Diesen Organisatorinnen und Organisatoren obliegt die Ausübung des Hausrechts. Öffentliche Institutionen wie die Stadt, der Bezirk oder die Gemeinde haben trotzdem die Möglichkeit, die Veranstaltung zu unterstützen.
Wenn Sie – oder Bürger/innen an Ihrer Stelle – eine Veranstaltung planen, sollten Sie gemeinsam potenzielle Störungen aus dem Publikum einkalkulieren. Eine genaue Planung hilft, die Gefahr einer Störung zu minimieren. Die Veranstaltenden sollten genau festlegen, welches Thema behandelt werden soll, was das Ziel der Veranstaltung und wer die Zielgruppe sein soll. Auch sollten sie sich darüber im Klaren sein, mit welcher Anzahl an Teilnehmenden zu rechnen ist, ob nur Expertinnen und Experten auf dem Podium diskutieren oder ob auch Fragen aus dem Publikum zugelassen sind. Zudem sollte entschieden werden, ob eine öffentliche oder eine geschlossene Veranstaltung stattfinden soll. Prüfen Sie auch, wer das Hausrecht innehat (siehe oben). Weitere wichtige Informationen bietet diese Handlungsempfehlung.
Einige Themen führen leicht zu Konflikten, wenn sie in den Fokus von bestimmten Personengruppen gelangen. Diese Gruppen bilden das sogenannte Störpotenzial ab. Sollten Sie eine Veranstaltung über ein kontroverses Thema stattfinden lassen beziehungsweise unterstützen wollen, informieren Sie sich vorher über diese Gruppierungen und Personen und deren Störpotenzial. Hierfür können Sie, neben Ihren eigenen kommunalen Informationsstellen, auch mit zivilgesellschaftlichen Kräften in Kontakt treten und sie um Hilfe bitten. Zudem empfiehlt sich auch hier ein frühzeitiger Kontakt zur örtlichen Polizei. Sollten Sie Veranstaltungsstörungen befürchten, ist es wichtig, dass sich Beamtinnen und Beamte vor Ort befinden, die gegebenenfalls direkt einschreiten können. In diesem Flyer der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin finden Sie hilfreiche Informationen zum Thema Extremistinnen und Extremisten auf öffentlichen Veranstaltungen.
Öffentliche Veranstaltung ist nicht gleich öffentliche Veranstaltung. Organisatorinnen und Organisatoren können auch hier Vorkehrungen treffen, die helfen, potenzielle Störer/innen von Beginn an auszuschließen. Grundsätzlich gilt es bei öffentlichen Veranstaltungen zu beachten, welches Gesetz gilt. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland haben einige Bundesländer ein eigenes Versammlungsgesetz. Dies gilt für die Länder Bayern, Berlin (teilweise), Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Hessen und Nordrhein-Westfalen. In allen anderen Bundesländern gilt das Versammlungsgesetz des Bundes. Dieser Text wendet das Versammlungsgesetz des Bundes an. Hier kann man sich zwischen zwei Varianten der öffentlichen Veranstaltung entscheiden.
Zum einen gibt es die öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen. Hier ist nach Paragraf 7 des Versammlungsgesetzes die/der Leiter/in der Versammlung zugleich die/der Veranstalter/in. Diese/r kann auch das Hausrecht ausüben. Der Paragraf 8 des Versammlungsgesetzes sieht vor, dass die Leitung den Ablauf der Versammlung bestimmt und währenddessen für Ordnung zu sorgen hat. Sie kann die Versammlung jederzeit unterbrechen oder schließen. Um diese Rechte ausführen zu können, muss sie gemäß Paragraf 9 des Versammlungsgesetzes vorher eine angemessene Anzahl an (ehrenamtlichen) Ordnerinnen und Ordner engagieren. Diese Zahl muss der Polizei mitgeteilt werden.
Zum anderen gibt es die öffentliche Versammlung unter freiem Himmel und Aufzüge. Nach Paragraf 14 muss diese Art der Versammlung spätestens 48 Stunden vorher bei der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstands der Versammlung oder des Aufzugs angemeldet werden. Bei der Anmeldung muss angegeben werden, wer Veranstalter/in ist. Wenn diese/r auch hier Ordner/innen engagieren möchte, bedarf dies einer Beantragung bei der Anmeldung der Versammlung und einer anschließenden polizeilichen Zustimmung.
Die Organisatorinnen und Organisatoren haben sich für eine öffentliche Veranstaltung entschieden und wollen nun Störer/innen ausschließen. Bei der ersten Variante, der öffentlichen Versammlung in geschlossenen Räumen, haben die Veranstaltenden nach Paragraf 6 des Versammlungsgesetzes das Recht, bestimmte Personen oder bestimmte Personenkreise in der Einladung von der Teilnahme auszuschließen. Diese Personen beziehungsweise Personenkreise müssen unmissverständlich in der Einladung als unerwünscht bezeichnet werden. Der Ausschluss von der Teilnahme muss in allen Einladungsversionen und auch im Rahmen von Werbung für die Versammlung (Plakate, Flyer, Internet etc.) explizit dargestellt werden. Empfehlenswert ist es, eine konkrete Personengruppe zu beschreiben. Eine dementsprechende Klausel in der Einladung kann folgendermaßen lauten:
„Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder sie von dieser auszuschließen.“
Pressevertreter/innen hingegen können laut Paragraf 6 (2) des Versammlungsgesetzes nicht ausgeschlossen werden. Sie müssen sich aber gegenüber der Leitung der Versammlung mit einem Presseausweis ausweisen. Für den Fall, dass explizit ausgeschlossene Personen doch erscheinen, kann die Versammmlungsleitung die betreffende Person daran hindern, den Versammlungsraum zu betreten. Wenn die betreffende Person den Raum aber doch betritt, liegt ein Hausfriedensbruch im Sinne des Strafgesetzbuches vor (§ 123 StGB). Anschließend kann sich die Leitung auf ihr Notwehrrecht berufen und die betreffende Person mit angemessenen Mitteln entfernen lassen, beispielsweise vom genannten Ordnungspersonal. Zudem ist es ratsam, in diesem Fall die Polizei hinzuzuziehen, um frühzeitig Beweise zu sichern.
Für öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge gelten andere Regeln. Hier können in die Einladung keine Klauseln bezüglich des Ausschlusses von bestimmten Personen oder Personenkreisen aufgenommen werden. Somit müssen auch ungebetene Gäste auf der Versammlung geduldet werden. Zu erwägen ist deshalb, die Veranstaltung nicht als Versammlung, sondern über eine Sondernutzung anzumelden. Im Zuge dessen können Sie auch eine bekanntzumachende „Festordnung“ erlassen. So kann beispielsweise die Teilnahme von Personen untersagt werden, die mit ihrer Kleidung ihre politische Position zur Schau tragen. Sondernutzungen sind zumeist kostenpflichtig. Sie gewähren dem Veranstaltenden das Recht, öffentliche Flächen, die sich im Gemeingebrauch befinden, für einen bestimmten Zeitraum für eigene Zwecke zu nutzen. Somit erhält der Veranstaltende das Sondernutzungsrecht beispielsweise für einen Tag und kann den beabsichtigten Gebrauch der Fläche selbst näher bestimmen. Dadurch kann auch festgelegt werden, welche Personen sich von der Fläche fernhalten sollen. Dies regelt dann die sogenannte Festordnung.
Im Falle von öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen hat die Versammlungsleitung nach Paragraf 11 des Versammlungsgesetzes die Möglichkeit, Personen von der Versammlung wieder auszuschließen. Dies ist möglich bei Teilnehmenden, die die Veranstaltung gröblich stören. Eine grobe Störung liegt dann vor, wenn diese in Form und Inhalt so schwer ist, dass als Alternativen zur Beseitigung der Störung nur die Unterbrechung oder die Auflösung der Veranstaltung in Betracht gezogen werden können. Grobe Störungen können Lärm, Sprechchöre, das Werfen von Gegenständen oder Zeichen und bestimmte Inhalte wie etwa das Zeigen von Plakaten mit beleidigenden oder gar strafrechtlich relevanten Inhalten sein. Die Verbalisierung von unterschiedlichen und auch kontroversen Aussagen hingegen liegt unterhalb einer groben Störung und ist generell zulässig. Personen, die aufgrund einer groben Störung von der Versammlung ausgeschlossen werden, haben sie sofort zu verlassen.
Von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen können Personen nur dann ausgeschlossen werden, wenn ihr Verhalten darauf gerichtet ist, den Fortgang der Versammlung zu verhindern. Nur dann handelt es sich um eine grobe Störung, und nur dann dürfen die Personen entfernt werden. In diesem Fall ist die Polizei dafür zuständig.
Besprechen Sie mit Ihrem Team beziehungsweise den Organisatorinnen und Organisatoren der Veranstaltung, wer wie auf Anfeindungen und Bedrohungen reagiert. Besprechen Sie die Rollenverteilung, gehen Sie auf mögliche Ängste ein. Wo sind Orte, an denen Ordner/innen oder gegebenenfalls die Polizei anzutreffen sind? Wo befinden sich Rückzugsmöglichkeiten? Wer ist wo positioniert? Wie sind die Leute erreichbar? Sind die Handynummern aller Beteiligten bekannt? Diese Maßnahmen gelten für öffentliche Veranstaltungen im geschlossenen Raum ebenso wie für öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel oder Aufzüge.
Sollte es tatsächlich zu Störungen aus dem Publikum kommen, bleiben Sie ruhig. Wahren Sie immer die Distanz und siezen Sie die Personen. Bei einer akuten Gefährdung aus dem Publikum ist eine Ansage per Mikrofon durch die Organisatorinnen und Organisatoren sinnvoll, um die Gäste zu informieren. Veranstaltungsleiter/innen sollten sich auch auf den Fall vorbereiten, dass Fotos oder Filme von ihnen oder dem Geschehen auf der Bühne gemacht werden. Hierzu sollten die Betroffenen unmissverständlich ihre Ablehnung äußern. Sollte sich die Störung gegen andere Personen als gegen sie selbst richten, müssen die Organisatorinnen und Organisatoren in Absprache mit dem Ordnungspersonal oder der Polizei eingreifen. Bedrohte oder beschimpfte Personen sollten auf dem Weg von der Veranstaltung nach Hause begleitet werden.
Dieser Punkt betrifft nicht nur die Organisatorinnen und Organisatoren, sondern auch alle weiteren Gäste. Sollte es zu Störungen gekommen sein, ist es sinnvoll, diese im Nachhinein schriftlich zu dokumentieren. Das sollte auch bei Verstößen gegen das Recht am eigenen Bild geschehen, um die Verantwortlichen im Falle einer Veröffentlichung ermitteln zu können. Diese Informationen können Sie im Nachgang an die Polizei übergeben, als Grundlage für den Fall einer Anzeige. Wenn die Polizei nicht bereits während der Veranstaltung eine entsprechende Anzeige aufgenommen hat, sollte sie diese Informationen dringend erhalten. Zudem ist es bei einigen Straftatbeständen erforderlich, einen Strafantrag zu stellen. Die Dokumentation der Geschehnisse kann auch an zivilgesellschaftliche Dokumentationsstellen übergeben werden. Hierbei ist der Datenschutz zu beachten. Zudem können Betroffene im Nachgang Organisationen wie mobile Beratungsteams oder Opferberatungen ansprechen und deren Angebote in Anspruch nehmen.