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Die „stille Mitte“ muss sichtbarer werden

Im Arbeitsalltag von Hass und Gewalt bedroht sein – eine dramatische Erfahrung, die immer mehr Menschen aus gesellschaftlich hochrelevanten Berufsgruppen machen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte ein weiteres Mal nicht wegzuschauen und lud zum Austausch. 

Seit 2018 hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wiederholt auf das Problem von Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aufmerksam gemacht. In einer Gesprächsrunde zum Thema „Hass und Gewalt in den Zeiten der Pandemie“ im Schloss Bellevue erweiterte er diesen Blick kürzlich auch auf andere Berufsgruppen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ordnungsämtern und Verwaltungen, in Arztpraxen und Verkehrsunternehmen, im Einzelhandel, den Medien oder im Rettungs- und Gesundheitswesen – sie und andere Menschen, die Verantwortung in der Gesellschaft tragen, erlebten Hass und Gewalt in ihrem Berufsalltag. Lebensgefährliche Angriffe auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die Ermordung des Kassler Oberbürgermeisters Walter Lübke oder der Mord an einem Tankstellenangestellten in Idar-Oberstein machten deutlich, dass nicht verharmlost werden dürfe. Steinmeier: „Die Gefahr ist real, und sie ist konkret.“

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, sprach von der „Angst vor dem Amt“, die es bei Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern inzwischen gebe. Wenn jedoch die Bereitschaft zum Engagement in der Kommunalpolitik sinke, erodiere die Demokratie, war sich die Runde einig. Im Angesicht dieser Situation fragte der Oberbürgermeister der Stadt Altenburg, André Neumann, bereits nach den Konsequenzen: „Wer soll auf uns folgen?“

 

 

"Die Gefahr ist real, und sie ist konkret."

In Zeiten der Pandemie, so Bundespräsident Steinmeier, verliere sogar der Spaziergang seine Unschuld. Nämlich dann, wenn sich Menschen im öffentlichen Raum unter Missachtung des Versammlungsrechts oder von Hygieneregeln mit selbsterklärten Staatsfeinden und verfassungsschutzbekannten Rechtsextremisten gemein machen. Versammlungs- und Meinungsfreiheit seien hohe Güter, deren Ausübung jedoch da eine rote Linie überschreite, wo Gewalt ins Spiel komme. Dagegen müsse bundesweit mit allen ­­– rechtstaatlichen und gesellschaftlichen – Mitteln reagiert werden.

André Neumann forderte einen entschlosseneren Umgang des Staates mit den Betreibern sozialer Medien, wenn dort zur Gewalt aufgerufen werde. Städtetagpräsident Lewe sah die Notwendigkeit für mehr Polizeischutz und konkrete polizeiliche Maßnahmen, wenn sich Kommunalpolitiker ernsthaft bedroht fühlten.

 

Leuchttürme des Engagements

Neben diesen staatlichen Maßnahmen, so die Diskutanten, sei auch die Zivilgesellschaft aufgerufen sich aktiv einzusetzen. Der Bundespräsident sah eine große Mehrheit an Vernünftigen, die Verantwortung für andere zeigten und sich an Auflagen hielten. Zugleich müsse es aber Sorge bereiten, wenn „es Regionen und Orte in unserem Land gibt, wo Menschen, die offen für die Demokratie eintreten, sich fragen, ob die Mehrheit eigentlich noch hinter ihnen steht“. Markus Lewe sprach von einem Bund der Anständigen, der sich deutlich artikulieren müsse.

Wie dies gelingen kann, davon berichtete der Pfarrer und Mitinitiator der Erklärung „Bautzen gemeinsam“ Christian Tiede. Angesichts unschöner Bilder hasserfüllter Veranstaltungen in Bautzen habe ein überparteilicher Kreis von Initiatoren die Petition formuliert, die mittlerweile von mehr als 47.000 Menschen, auch über die Grenzen Bautzens hinaus, unterschrieben worden ist. Es habe für die Stadtgesellschaft und das demokratische Gemeinwesen enorm viel ausgemacht, sich engagieren und gemeinsam an diesem Thema arbeiten zu können. Viele habe es ermutigt zu sehen, welch hohe Breitenwirkung das Projekt entfaltete. Er wünsche sich jetzt, so Pfarrer Tiede, dass solche Leuchttürme des Engagements in Deutschland noch besser sicherbar und weiter ins Land hineinstrahlen würden.

Text: Marcus Kober / DFK

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Stark im Amt als Schirmherr freigeschaltet. Eine Aufzeichnung finden Sie hier.