„Wer die Hasskommentare im Internet nicht aushält“, sagt Lilli Fischer, „hält auch das Postengeschacher und die Intrigen in einer Partei nicht aus.“ Die junge Erfurterin, geboren im Jahr 2000, hat einiges an Hass erlebt, seit sie sich politisch engagiert. Als Jugendliche hatte sie mit Freunden das Erfurter Schülerparlament gegründet und war in der Landesschülervertretung aktiv. Immer nach der Maxime „Wer meckern will, muss auch mitmachen!“.
Die Bildungspolitik der rot-rot-grünen Landesregierung hat sie dann zur CDU geführt. Heute ist sie Stadträtin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU in Erfurt sowie Kreisvorsitzende der Jungen Union und Social-Media-Referentin der CDU Thüringen. Und daher natürlich auf X (früher Twitter), Facebook und Instagram aktiv. Genügend Gelegenheiten, um anzuecken.
Ein krasses Erlebnis hatte sie im Spätsommer 2020, nachdem sie in einem Posting ein italienisches Restaurant empfohlen hatte. Nicht wegen des hervorragenden Essens, sondern weil der frühere AfD-Bundesvorstand Andreas Kalbitz und ein weiterer AfDler aus dem Restaurant geschmissen wurden: „Großartig! Ganz stark!“, kommentierte Lilli Fischer. Daraufhin bekam sie zahlreiche Hass-Posts, teils politisch herabsetzend, teils extrem ordinär.
Den Urheber hat sie zur Anzeige gebracht. Unterstützung angeboten hatte auch Hate Aid, die gemeinnützige Organisation für Betroffene von Online-Hassrede. Die Ermittlungen wurden auch sehr ernst genommen, schließlich aber eingestellt, weil der Urheber wegen ähnlicher Vorkommnisse bereits verurteilt war; inzwischen sitzt er wegen rechtsextremer Delikte sogar in Haft. Auch grenzüberschreitende und herabwürdigende Kommentare anderer Personen sowie Beleidigungen wie „du doofe CDU-Nazischlampe“ musste Lilli Fischer über sich lesen.
Aber es belastet sie nicht, meint sie, sie habe ein dickes Fell. Schließlich kämen derartige Posts meist anonym, ohne Foto und Klarnamen. Darauf reagiere sie gar nicht erst. Anders wenn ihr die Absender bekannt sind: Nach der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum thüringischen Ministerpräsidenten 2020 hatte sie einige – wie sie heute sagt – ungeschickte Tweets abgesetzt. Die wurden von einer Politikerin der Linken genüsslich verbreitet, was Lilli Fischer Morddrohungen einbrachte und Einlassungen wie „Ich weiß wo dein Haus wohnt“. In dem Fall hat sie die Frau kontaktiert. Die Posts verschwanden dann, tauchten ein Jahr später aber wieder auf.
Entmutigen lässt sie sich dennoch nicht. Viel Halt gibt ihr die Familie. Ihr Vater, der früher selbst politisch aktiv war, ermutigt sie, Unangenehmes schlicht zu ignorieren. Ihre Mutter nimmt sie in den Arm. „Das ist total schön, dass ich diese beiden Seiten als Stütze habe“, sagt Lilli Fischer.
Verletzender als Gegenwind von außen empfindet sie Tritte vors Schienbein von Parteifreunden. Als Vorsitzende der Jungen Union habe sie fast jeden Monat einen Anruf bekommen, wonach angeblich gegen sie geputscht werden solle. „Das ist extrem anstrengend, weil es so viel Energie bindet.“ Und dann gab es diesen Vorfall bei einer Wahl, bei der ihr Gegenkandidat herumgegangen sei und Anwesenden gesagt habe: „Wählt mal diese Karriere-Schlampe nicht!“. Derjenige habe noch kurz davor neben ihr gesessen und ihr vertraulich zugeflüstert: „Alles cool, ganz fairer Umgang zwischen uns.“ Der meiste Widerstand komme allerdings von weiblichen Mitgliedern ihrer Partei. Gerade unter Frauen gebe es viel Missgunst, wenn es um die Vergabe von Posten gehe.
Manchmal ist es allerdings auch ihre forsche Art, die ihr Ärger einbringt: „Ich habe eine große Klappe, das stößt vielen auf.“ Etwa als sie in einem Interview anmerkte, die CDU sei zu alt und zu männlich. Warum sie nicht erstmal ihr Studium zu Ende bringe, bevor sie mit solchen Phrasen komme, habe es daraufhin geheißen.
Lilli Fischer wird wohl beides machen: den Finger weiterhin in Wunden legen und ihr Studium der Politikwissenschaften abschließen. Nach dem Bachelor hat sie kürzlich den Masterstudiengang begonnen. Doch dann kam ihr die Landtagswahl 2024 dazwischen. Die ist ihr natürlich wichtig. Und so arbeitet sie erst einmal vor allem für die Landtagsfraktion.